1. Durchführungsverordnung zum LS-Gesetz (4.5.1937)
Quelle

Erste Durchführungsverordnung zum Luftschutzgesetz

(Zuständigkeitsfragen des Luftschutzes)

Vom 4. Mai 1937

Auf Grund des §12 des Luftschutzgesetzes vom 26. Juni 1935 (Reichsgesetzbl. I S.827) wird im Einvernehmen mit den zuständigen Reichsministern verordnet:

Teil I


§ 1 – Aufgaben des Luftschutzes

Aufgabe des Luftschutzes ist es, das deutsche Volk und das Reichsgebiet vor den Folgen von Luftangriffen zu schützen, insbesondere Maßnahmen zu treffen, um

  1. Bevölkerung, Dienststellen und Betriebe zu warnen (Luftschutzwarndienst),
  2. bei Personen= und Sachschäden Hilfe zu leisten und bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, soweit sie durch Luftangriffe gestört und gefährdet wird, mitzuwirken (Sicherheits= und Hilfsdienst),
  3. industrielle und gewerbliche Betriebe und die in diesen tätigen Personen zur Aufrechterhaltung eines ungestörten Ganges des Betriebs zu schützen (Werkluftschutz),
  4. öffentliche und private Gebäude, Dienststellen und Betriebe, sowie die in ihnen befindlichen Personen zu schützen (Selbstschutz),
  5. öffentliche und private Dienststellen und Betriebe, soweit für sie der Selbstschutz nicht ausreicht, ein Werkluftschutz aber nicht notwendig ist, sowie die in ihnen befindlichen Personen zu schützen (erweiterter Selbstschutz).

§ 2 – Durchführung des Luftschutzes

(1) Der Luftschutzwarndienst und der Sicherheits= und Hilfsdienst werden, soweit sich der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe bei der Durchführung nicht der Dienststellen und Einrichtungen der Luftwaffe bedient, von den ordentlichen Polizei= und Polizeiaufsichts­behörden durchgeführt. Für Zwecke des Sicherheits= und Hilfsdienstes und in Orten, in denen ein Sicherheits= und Hilfsdienst nicht aufgestellt wird, können staatliche und kommunale Einrichtungen der Polizei, des Feuerlösch=, Gesundheits= und Bauwesens sowie der Straßen­reinigung und der Versorgungs­betriebe in Anspruch genommen werden. Das gleiche gilt für das Deutsche Rote Kreuz und die Technische Nothilfe, die auf dem Gebiet des Luftschutz­sanitätsdienstes und des Instandsetzungs­dienstes mit Sonderaufgaben betraut sind.
(2) Der Werkluftschutzbund wird von den zu ihm gehörenden Betrieben unter der Leitung der Reichsgruppe Industrie durchgeführt.
(3) Der Selbstschutz obliegt der Bevölkerung; seine Organisation und die Ausbildung der Selbstschutzkräfte wird vom Reichsluftschutzbund durchgeführt. Auf allen übrigen Gebieten des Selbstschutzes übt der Reichsluftschutzbund, soweit nicht in Einzelfällen etwas anderes bestimmt wird, nur beratende Tätigkeit aus. Bei den zum Selbstschutz gehörenden Dienststellen des Reichs, der National­sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihrer Gliederungen, der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts (öffentliche Dienststellen) beschränkt sich die Zuständigkeit des Reichsluftschutz­bundes auf die Beratung der Dienst­stellenleiter und die Ausbildung der Selbstschutzkräfte. Auch diese Tätigkeit übt der Reichsluftschutzbund nur auf Antrag der betreffenden Dienststellen aus.
(4) Der erweiterte Selbstschutz wird von den zu ihm gehörenden öffentlichen und privaten Dienststellen und Betrieben unter Leitung der Ortspolizei­verwalter durchgeführt. Der Reichsluftschutz­bund übt auf dem Gebiet des erweiterten Selbstschutzes nur beratende Tätigkeit aus. Bei den zum erweiterten Selbstschutz gehörenden öffentlichen Dienststellen wird der Reichsluftschutzbund nur auf Antrag der betreffenden Dienststellen tätig.
(5) Die Reichsgruppe Industrie und der Reichsluftschutz­bund handeln nach den Weisungen des Reichsministers der Luftfahrt und Ober­befehlshabers der Luftwaffe. Zwangsmittel können nur von den ordentlichen Polizeibehörden angewandt werden.

§ 3 – Vergütungen und Entschädigungen

Soweit in den nachstehenden (§§ 12 und 15) und noch zu erlassenden Bestimmungen nichts anderes bestimmt wird, werden für die Erfüllung der Luftschutzpflicht Vergütungen oder Entschädigungen nicht gewährt.

§ 4 – Luftschutzort

Luftschutzort ist der Ortspolizeibezirk. Ausnahmen sind zulässig, sie bestimmt der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Inneren.

§ 5 – Örtliche Luftschutzleiter

Örtlicher Luftschutzleiter ist der Ortspolizeiverwalter, in Städten mit staatlicher Polizeiverwaltung der staatliche Polizeiverwalter. Ausnahmen bestimmt der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Inneren.

§ 6 – Aufgaben des örtlichen Luftschutzleiters

(1) Der örtliche Luftschutzleiter hat innerhalb des Luftschutzortes nach Maßgabe der Bestimmungen des § 2 Abs. 1 und 4 den Sicherheits= und Hilfsdienst durchzuführen und die Durchführung des erweiterten Selbstschutzes zu leiten, er hat die Führung im Luftschutzort und ist für das einheitliche Zusammen­wirken des Sicherheits= und Hilfsdienstes, des Werluftschutzes, des Selbstschutzes und des erweiterten Selbstschutzes verantwortlich. In Orten, in denen ein Sicherheits= und Hilfsdienst nicht aufgestellt wird, können die im § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 genannten Einrichtungen für Luftschutz­zwecke in Anspruch genommen werden.
(2) Dem örtlichen Luftschutzleiter ist von den zuständigen Stellen der Reichsgruppe Industrie und des Reichsluftschutzbundes über alle Fragen des Werkluftschutzes, des Selbstschutzes und des erweiterten Selbstschutzes Auskunft zu erteilen, er kann sich bei Übungen innerhalb des Luftschutzortes von dem Stand des Werk­luftschutzes, des Selbstschutzes und des erweiterten Selbstschutzes überzeugen.
(3) Der örtliche Luftschutzleiter trifft die Entscheidung darüber, welche öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe zum Werkluftschutz, zum Selbstschutz und zum erweiterten Selbstschutz gehören. Die Ortsgruppenführer des Reichs­luftschutzbundes sind im Einvernehmen mit dem örtlichen Luftschutzleiter zu bestellen.

§ 7 – Luftschutzmäßiges Verhalten

Durch polizeiliche Verfügung oder Verordnung kann, solange nicht entsprechende Durchführungsverordnungen zum Luftschutzgesetz ergangen sind, den nach § 2 des Luftschutzgesetzes luftschutzpflichtigen Personen die Verpflichtung zu luftschutzmäßigem Verhalten, d. h. zu Handlungen, Duldungen und Unterlassungen auferlegt werden, die zur Durchführung des Luftschutzes, insbesondere zur Durchführung von Ausbildungs­veranstaltungen, Übungen und technischen Maßnahmen notwendig sind.

§ 8 – Beitragspflicht im Werkluftschutz und im erweiterten Selbstschutz

(1) Die zum Werkluftschutz und zum erweiterten Selbstschutz gehörenden öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe haben zur Deckung der durch die Durchführung des Werkluftschutzes und des erweiterten Selbstschutzes entstehenden Verwaltungskosten Beiträge zu leisten. Der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe setzt die Beiträge im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern, dem Reichsminister der Finanzen und dem Reichs­wirtschaftsminister fest.
(2) Der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe kann die Reichsgruppe Idustrie und den Reichsluftschutzbund mit der Einziehung der nach Abs. 1 zu zahlenden Beiträge beauftragen. Rückständige Beiträge können im Verwaltungs­zwangs­verfahren durch die Gemeinden wie Gemeindeabgaben gegen Erstattung der Kosten beigetrieben werden.
(3) Die öffentlichen Dienststellen haben nur diejenigen Kosten zu ersetzen, die auf Grund eines Antrags nach § 2 Abs. 4 letzter Setz entstanden sind.


Teil II


§ 9 – Heranziehung zu Dienstleistungen (Luftschutzdienstpflicht)

(1) Die ordentlichen Polizeibehörden haben die für den Luftschutzwarndienst, den Sicherheits= und Hilfsdienst, den Werkluftschutz, den Selbstschutz und den erweiterten Selbstschutz notwendigen Kräfte aus dem Kreis der nach § 2 des Luftschutzgesetzes luftschutzpflichtigen Personen durch polizeiliche Verfügung heranzuziehen. Zuständig für die Heranziehung sind die Ortspolizeibehörden.
(2) Im Werkluftschutz und im erweiterten Selbstschutz erstreckt sich die polizeiliche Heranziehung nur auf die Werkluftschutz= und Betriebsluftschutzleiter, die übrige Gefolgschaft wird durch die Werkluftschutz= oder Betriebsluftschutzleiter herangezogen. Bei den öffentlichen Dienststellen ist die Heranziehung als Betriebs­luftschutzleiter im Einvernehmen mit dem Leiter der Dienststelle vorzunehmen.
(3) Im Werkluftschutz haben die zuständigen Stellen der Reichsgruppe Industrie, im Selbstschutz die zuständigen Stellen des Reichs­luftschutzbundes die polizeiliche Heranziehung vorzubereiten.
(4) Die Heranziehung nach den Absätzen 1 und 2 verpflichtet zur gewissenhaften Erfüllung aller Dienst­obliegenheiten, insbesondere zur Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen und Übungen.

§ 10 – Kreis der zu erfassenden Dienstpflichtigen

(1) Zur Luftschutzdienstpflicht dürfen nicht herangezogen werden:

  1. Personen, die der allgemeinen Wehrpflicht unterliegen, es sei denn, daß sie durch die Wehrersatz=Dienststellen als “unabkömmlich” zugunsten des Luftschutzes erklärt werden,
  2. Personen, die zwar der allgemeinen Wehrpflicht nicht unterliegen, aber für Zwecke der Kriegsführung anderweitig benötigt werden,
  3. Personen, die nach § 3 des Luftschutzgesetzes zu persönlichen Diensten im Luftschutz nicht heranzuziehen sind.
    1. Die feststellung, wer auf Grund seines Lebensalters oder seines Gesundheitszustandes ungeeignet ist, ist durch ärztliche Untersuchung zu treffen. Das nähere Verfahren hierzu regelt der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern.
    2. Die Frage, ob die Heranziehung zur Luftschutzdienstpflicht mit den Berufspflichten des Luftschutz­dienstpflichtigen gegenüber der Volksgemeinschaft, insbesondere mit den Pflichten eines öffentlich=rechtlichen Dienstverhältnisses nicht zu vereinbaren ist, entscheidet die Kreispolizei­behörde. Diese Entscheidungen sind, soweit es sich um im Dienst der öffentlichen Dienststellen befindliche Personen handelt, im Einvernehmen mit dem Leiter der Dienststelle zu treffen. Wird ein Einvernehmen nicht erzielt, so entscheidet die Aufsichtsbehörde derjenigen Dienststelle, der der Luftschutzdienstpflichtige angehört. Gehört der Herangezogene einer obersten Reichs= oder Landesbehörde an, so entscheidet diese entgültig. Im übrigen können, soweit es notwendig erscheint, auch die zuständigen Berufsvertretungen des Luftschutz­dienstpflichtigen gehört werden. Bei der National­sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihren Gliederungen wird der Kreis derjenigen Personen, die nur im Einvernehmen mit dem Leiter der Dienststelle herangezogen werden können, und der Kreis der Dienststellen, die endgültig entscheiden, durch den Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers bestimmt.
(2) Zum Luftschutzdienst unfähig sind Personen, die
  1. mit Zuchthaus bestraft sind,
  2. nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sind,
  3. den Maßregeln der Sicherung und Besserung nach § 42a des Strafgesetzbuches unterworfen sind,
  4. durch militärgerichtliches Urteil die Wehrwürdigkeit verloren haben,
  5. wegen staatsfeindlicher Betätigung gerichtlich bestraft sind.
Ausnahmen sind nur von den Bestimmungen zu den Nrn. 3 und 5 zulässig; sie bedürfen der Zustimmung des Regierungspräsidenten in Preußen, in anderen Ländern der entsprechenden Behörden.
(3) Für Juden gilt folgendes:
Auf den Gebieten des Werkluftschutzes, des Selbstschutzes und des erweiterten Selbstchutzes können Juden zur Luftschutz­dienstpflicht herangezogen werden, wenn es zum Schutz ihrer Person oder ihres Eigentumsnotwendig ist. Darüber hinaus ist ihre Heranziehung nur auf Grund besonderer Bestimmungen, die der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern erläßt, zulässig.
Für den Nachweis der Abstammung gilt § 10 der Verordnung über das Erfassungswesen vom 15. Februar 1937 (Reichsgesetzbl. I S. 205) entsprechend.
(4) Die Bestimmungen des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 stehen einer Heranziehung der darin genannten Personen zu Aufgaben auf dem Gebiet der Organisation und der Ausbildung im Frieden nicht entgegen. Bei Angehörigen der Wehrmacht ist die Zustimmung der vorgesetzten Dienststelle notwendig.

§ 11 – Ausländer und Staatenlose

(1) Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, jedoch im Deutschen Reich Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt haben, können zur Luftschutzdienstpflicht herangezogen werden:

  1. im Luftschutzwarndienst und im Sicherheits= und Hilfsdienst, wenn sie deutschstämmig sind und sich freiwillig melden,
  2. im Werkluftschutz und im erweiterten Selbstschutz, wenn sie zur Gefolgschaft gehören;
  3. im Selbstschutz, wenn es zum Schutz ihrer Person oder ihres Eigentums notwendig ist.
(2) Im übrigen findet § 10 sinngemäß Anwendung.

§ 12 – Vergütungen und Entschädigungen für Leistungen persönlicher Dienste

(1) Bei Vorliegen der nach Abf. 3 zu bestimmenden Voraussetzungen werden dem Luftschutzdienstpflichtigen bei Lehrgängen von mehrtägiger Dauer Tage= und Übernachtungsgelder oder freie Unterkunft und Verpflegung sowie Reisekosten, bei Übungen von mehrtägiger Dauer Fahr= und Zehrgelder sowie Gelder für die Abnutzung eingener Kleidungsstücke gewährt.
(2) Träger dieser Verpflichtung sind im Luftschutzwarndienst, im Sicherheits= und Hilfsdienst und im Selbstschutz – mit Ausnahme des Selbstschutzes der öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe – das Reich, im Selbstchutz der öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe, im erweiterten Selbstschutz und im Werkluftschutz die Dienststellen und Betriebe.
(3) Nähere Bestimmungen erläßt der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit den zuständigen Reichsministern.

§ 13 – Ausbildungsveranstaltungen und Übungen

(1) Zur Anordnung von Ausbildungsveranstaltungen und Übungen sind berechtigt:

  1. im Luftschutzwarndienst der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, die Luftkreiskommandos, die Luftgau­kommandos, die Marinestations­kommandos, die Marinefestungs­kommandanturen, die Oberpräsidenten und Regierungs­präsidenten in Preußen – in den anderen Ländern die entsprechenden Behörden – sowie die örtlichen Luftschutzleiter;
  2. im Sicherheits= und Hilfsdienst die zu a genannten Dienststellen mit Ausnahme der Marinestations­kommandos und Marinefestungskommandanturen;
  3. im Werkluftschutz die zu b genannten Dienststellen, die Werkluftschutzvertrauensstellen der Reichsgruppe Industrie – von der Ortsvertrauensstelle an aufwärts –, die Betriebsführer und die Werkluftschutzleiter;
  4. im Selbstschutz die zu b genannten Dienststellen und die Führer des Reichsluftschutzbundes – vom Ortgruppenführer an aufwärts –; die Anordnungsbefugnis der Führer des Reichs­luftschutzbundes beschränkt sich auf Ausbildungsveranstaltungen und Übungen der nach § 9 herangezogenen Selbstschutzkräfte;
  5. im erweiterten Selbstschutz die zu b genannten Dienststellen, die Dienststellenleiter, die Betriebsführer und die Betriebsluftschutzleiter.
(2) Bei der Anordnung von Ausbildungsveranstaltungen und Übungen ist nach Möglichkeit auf das Wirtschaftsleben sowie auf die beruflichen Pflichten und persönlichen Verhältnisse der Beteiligten Rücksicht zu nehmen.
(3) Die Heranziehung zu laufender Ausbildung und zu örtlichen Übungen soll auf dem Gebiet des Selbstschutzes jährlich 72 Stunden, im übrigen jährlich 104 Stunden nicht übersteigen. Nicht inbegriffen ist hierbei die Heranziehung zu Lehrgängen von mehrtägiger Dauer und zu größeren Übungsvorhaben, die von dem Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe und den ihm unterstellten Dienststellen (Luftkreis­kommandos, Luftgaukommandos) angeordnet oder genehmigt werden.

§ 14 – Beurlaubungen

Soweit Ausbildungsveranstaltungen und Übungen nicht außerhalb der Arbeitszeit stattfinden können, sind die Luftschutzdienstpflichtigen zur Erfüllung ihrer Luftschutzdienstpflicht bis zur Höchstdauer von 14 Tagen im Jahr zu beurlauben.

  1. Hinsichtlich der im Dienst des Reichs, der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts und der öffentlichen Betriebe stehenden Personen erläßt der Rechsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen und dem Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe die näheren Bestimmungen. Hinsichtlich der im Dienst der National­sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und ihrer Gliederungen stehenden Personen erläßt der Stellvertreter des Führers die näheren Bestimmungen.
    1. Alle übrigen Angestellten und Arbeiter haben ihren Heranziehungsbescheid mit dem Antrag auf Urlaub dem Unternehmer (Arbeitgeber) unverzüglich vorzulegen. Die Beurlaubung zu Ausbildungsveranstaltungen und Übungen gibt dem Unternehmer nicht das Recht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.
    2. Übersteigt der Urlaub zu einer einzelnen Ausbildungsveranstaltung oder Übung nicht die Dauer von zwei Arbeitstagen, so behält der Angestellte oder Arbeiter gegenüber dem Unternehmer den Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt oder sonstigen Bezügen. Der Unternehmer ist jedoch berechtigt, die ausgefallenen Arbeitsstunden jeweils bis zur Dauer eines Arbeitstages nacharbeiten zu lassen; nähere Bestimmungen hinsichtlich der Nacharbeit kann der Reichsarbeitsminister im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe erlassen. Bei Beurlaubungen von längerer Dauer als zwei Tagen besteht ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt und sonstigen Bezügen nicht.
    3. Der Urlaub zur Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen oder Übungen (Übungsurlaub) ist dem Angestellten oder Arbeiter außerhalb des ihm zustehenden Erholungsurlaubs zu gewähren; beträgt der einzelne Übungsurlaub mehr als zwei Tage, so kann der Unternehmer, wenn er dem Angestellten oder Arbeiter das Arbeitsentgelt in der bisherigen Höhe unter Abzug der Arbeitnehmer­anteile an den Sozialversicherungsbeiträgen fortzahlt, den Übungsurlaub auf den Erholungsurlaub im gleichen oder nachfolgenden Jahr in Anrechnung bringen; der Erholungsurlaub darf jedoch nur bis zu einem Drittel und nicht um mehr als 10 Tage gekürzt werden. Mehrere zwei Tage übersteigende Beurlaubungen sind zusammen­zurechnen und auf den Erholungsurlaub nur im Rahmen der vorstehenden Höchstgrenzen anzurechnen. Wird ein Angestellter oder Arbeiter im gleichen Jahr zu Übungen der Wehrmacht beurlaubt, so findet auch insoweit eine Zusammenrechnung statt.

§ 15 – Sachschäden

(1) Sachschäden, die den auf Grund dieser Verordnung zur Luftschutzdienstpflicht herangezogenen Personen aus ihrer Tätigkeit im Luftschutzwarndienst, Sicherheits= und Hilfsdienst, Werkluftschutz, Selbstschutz und erweitertem Selbstschutz ohne eigenes Verschulden entstehen, werden ersetzt. Ein Anspruch besteht nur bei Beschädigungen solcher Sachen, die zur Ausübung des Dienstes unentbehrlich sind oder weisungsgemäß mitgebracht werden.
(2) Träger dieser Verpflichtung sind im Luftschutzwarndienst, im Sicherheits= und Hilfsdienst und im Selbstschutz – mit Ausnahme des Selbstschutzes der öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe – das Reich, im Selbstschutz der öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe, im erweiterten Selbstschutz und im Werkluftschutz die Dienststellen und Betriebe.
(3) Der Entschädigungsantrag ist, soweit eine Ersatzpflicht des Reichs in Betracht kommt, an die Ortspolizeibehörde, im übrigen an die Dienststellenleiter und Betriebsführer zu richten. Die Ortspolizeibehörde leitet den Antrag, gegebenenfalls nach Klärung des Sachverhalts, unmittelbar dem Luftgau­kommando oder Luftkreiskommando zur Prüfung zu.
(4) Etwaige Forderungen der Geschädigten an Dritte gehen auf die nach Abs. 2 zum Ersatz verpflichteten Stellen über.

§ 16 – Unfallversicherung

(1) Hoheitliche Betriebe im Sinne des § 11 des Luftschutzgesetzes sind der Luftschutzwarndienst und der Sicherheits= und Hilfsdienst.
(2) Anerkannte Betriebe zur Luftschutzausbildung und Übungen im Sinne des § 11 des Luftschutzgesetzes sind diejenigen Ausbildungsveranstaltungen und Übungen, die nach § 13 Abs. 1 dieser Verordnung angeordnet werden. Der Reichsluftschutzbund, die Reichsgruppe Industrie, das Deutsche Rote Kreuz und die Technische Nothilfe, soweit sie Luftschutz­aufgaben durchzuführen haben, gelten als anerkannte Betriebe zur Luftschutzausbildung.
(3) Für die Unfallversicherung im Selbstschutz der öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe, im Werkluftschutz und im erweiterten Selbstschutz gilt folgendes:

  1. Durch §537 Abs. 1 Nr. 5a der Reichsversicherungs­ordnung wird die nach anderen Vorschriften der Reichsversicherungs­ordnung bestehende Unfallversicherung nicht berührt.
  2. § 624a Satz 2 der Reichsversicherungs­ordnung bezieht sich auf die Betriebe und Tätigkeiten im Selbstschutz der öffentlichen und privaten Dienststellen und Betriebe, im werkluftschutz und im erweiterten Selbstschutz. Zu diesen rechnen auch solche Tätigkeiten im Luftschutz außerhalb der Betriebsstätte, zu denen die unfallversicherte Gefolgschaft als solche oder ein Teil von ihr (z. B. Werkfeuerwehr) herangezogen wird.
  3. Wird ein Unfallversicherter von seinem Unternehmer zur Teilnahme an anerkannten Luftschutzübungen oder Betrieben zur Luftschutzausbildung abgeordnet, so gilt § 634 der Reichsversicherungsordnung entsprechend.
(4) Ausführungsbehörde der Unfallversicherung im Luftschutz ist – soweit das Reich als Träger der Versicherung in Frage kommt und auf Grund des § 892 der Reichsversicherungs­ordnung nichts anderes bestimmt ist – das Versorgungsamt I Berlin. Im übrigen bewendet es bei den allgemeinen Vorschriften des § 892 der Reichsversicherungs­ordnung.
(5) Soweit vor dem Inkrafttreten des Luftschutzgesetzes andere Stellen als das Reich Träger der Unfallversicherung waren, findet ein Ausgleich nicht statt.

§ 17 – Polizeiliche Strafverfügung

Die Polizeibehörden können wegen der in ihrem Bezirk verübten Übertretung des § 9 des Luftschutzgesetzes die Strafe durch polizeiliche Strafverfügung festsetzen und eine etwa verwirkte Einziehung verhänden. In leichten Fällen ist von einer polizeilichen Strafverfügung abzusehen. Statt oder neben einer polizeilichen Strafverfügung kann eine gebührenfreie Verwarnung erteilt werden. Die Bestrafung von Übertretungen des § 2 des Luftschutzgesetzes und der darauf beruhenden Rechtsverordnungen und Verfügungen setzt das Vorliegen einer polizeilichen Verordnung der unanfechtbar gewordenen polizeilichen Verfügung voraus. Die §§ 413 bis 418 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.

§ 18 – Beamtenhaftung

(1) Soweit die auf Grund dieser Verordnung zur Luftschutzdienstpflicht herangezogenen Personen als Beamte im Sinne des § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches gelten, trifft die darin bestimmte Verantwortlichkeit, unbeschadet des Rückgriffsrechts gegen denjenigen, der den Schaden verschuldet hat, das Reich. Das Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten vom 22. Mai 1910 (Reichsgesetzbl. I S.798) findet Anwendung.
(2) Ansprüche nach Abs. 1 sind bei der Ortspolizeibehörde anzumelden. Diese leitet den Antrag, gegebenenfalls nach Klärung des Sachverhalts, dem Luftgau­kommando oder dem Luftkreis­kommando auf dem Dienstwege zur Prüfung zu.

§ 19 – Hilfspolizeibeamte

Angehörige des Sicherheits= und Hilfsdienstes, des Werkluftschutzes, des Selbstschutzes können, soweit ihre Aufgaben es erfordern, durch die unmittelbar vorgesetzte Polizeiaufsichts­behörde zu Hilfspolizei­beamten bestellt werden. Den Kreis dieser Personen bestimmt der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit dem Reichsminister des Innern.

§ 20 – Meldepflicht

Soweit Personen nach dieser Verordnung zur Erfüllung der Luftschutzdienstpflicht herangezogen sind, haben sie bei den polizeilichen An= und Abmeldungen ihre Verwendung im Luftschutz anzuzeigen. Die näheren Bestimmungen erläßt der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe.

§ 21 – Rechtsmittel

(1) Gegen die polizeilichen Verfügungen nach den §§ 7 und 9, gegen die Heranziehung nach § 9 Abs. 2 und gegenüber Anordnungen, die zur Erfüllung dienstlicher Obliegenheiten nach § 9 Abs. 4 erteilt werden, ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen, nachdem die polizeiliche Verfügung oder sonstige Anordnung nach § 9 dem Betroffenen zugestellt, zugegangen oder zu seiner Kenntnis gekommen ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei derjenigen Stelle einzulegen, die die Verfügung erlassen hat. Die Klage im Verwaltungsstreitverfahren findet nicht statt. Der ordentliche Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Beschwerde, die sich gegen die Heranziehung nach § 9 Abs. 2 und gegen die Anordnungen zur Erfüllung dienstlicher Obliegenheiten nach § 9 Abs. 4 richtet, ist bei der Ortspolizeibehörde einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch dann gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei derjenigen Stelle eingegangen ist, die über die Beschwerde zu entscheiden hat. Im übrigen finden die allgemeinen Vorschriften über das Beschwerdeverfahren gegen polizeiliche Verfügungen sinngemäß Anwendung. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Für das Verfahren über die Beschwerde werden Kosten nicht erhoben.
(3) Soweit die Beschwerde sachliche Fragen des Werkluftschutzes betrifft, entscheiden die im Abs. 2 genannten Behörden nach Anhörung der zuständigen Stellen der Reichsgruppe Industrie oder des Reichsluftschutzbundes.


Teil III


§ 22 – Luftschutz in besonderen Verwaltungen

(1) Die Wehrmacht, die Deutsche Reichspost, die Reichswasserstraßenverwaltung, die Deutsche Reichsbahn und die Gesellschaft Reichsautobahnen führen die für sie in Betracht kommenden Luftschutz­maßnahmen in ihrem Geschäftsbereich nach den Weisungen ihrer obersten Behörden und auf Grund der Richtlinien des Reichsministers der Luftfahrt und Ober­befehlshabers der Luftwaffe durch. Insbesondere sind sie zu Anordnungen von Ausbildungs­veranstaltungen und Übungen berechtigt. Im übrigen finden §3, § 12 Abs. 1, § 14 Satz 1, § 15 Abs. 1 und 4, §§ 19, 20 und hinsichtlich der Heranziehung der Gefolgschafts­mitglieder der § 9 Abs. 2 und 4 sinngemäß Anwendung. Das gleiche gilt hinsichtlich des § 16 mit der Maßgabe, daß sich Abs. 3 auf die genannten Verwaltungen schlechthin bezieht. Gegen die Heranziehung nach § 9 Abs. 2 und gegen Anordnungen zur Erfüllung dienstlicher Obliegenheiten nach § 9 Abs. 4 ist nur die Beschwerde im Dienstaufsichtswege zulässig. § 2 Abs. 5 Satz 2, §§ 7, 17, § 21 Abs. 1 und 2 finden mit der Maßgabe Anwendung, daß, soweit im Bereich der genannten Verwaltungen eine Sonderpolizei besteht, diese im Rahmen der für sie geltenden Vorschriften an die Stelle der ordentlichen Polizei tritt und daß im übrigen die ordentlichen Polizeibehörden nur auf Antrag der genannten Verwaltungen tätig werden.
(2) Die Zusammenarbeit der Organe des im Abs. 1 genannten Verwaltungen mit den nach § 2 dieser Verordnung mit der Durchführung des Luftschutzes beauftragten Stellen regelt der Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe im Einvernehmen mit den beteiligten obersten Reichsbehörden und der Gesellschaft Reichsautobahnen.
(3) Soweit das Personal der im Abs. 1 genannten Verwaltungen zur Durchführung der Luftschutz­maßnahmen nicht ausreicht, können aus dem Kreis der nach § 2 des Luftschutzes luftschutz­pflichtigen Personen durch die ordentlichen Polizeibehörden Ergänzungskräfte herangezogen werden. Insoweit finden die Bestimmungen der Teile I und II dieser Verordnung sinngemäß Anwendung.
(4) Soweit nach den §§ 12 und 15 Vergütungen und Entschädigungen zu zahlen sind, sind sie von derjenigen Verwaltung zu tragen, die die Heranziehung veranlaßt hat. Die nach § 12 Abs. 3 notwendigen näheren Bestimmungen erlassen die Verwaltungen im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Luftfahrt und Ober­befehlshaber der Luftwaffe.
(5) Wenn Angehörige der in Abs. 1 genannten Verwaltungen zur Durchführung des allgemeinen Luftschutzes herangezogen werden, finden die Bestimmungen der Teile I und II dieser Verordnung Anwendung.

§ 23 – Flugmeldedienst

(1) Hinsichtlich des Flugmeldedienstes, der von den Dienststellen der Wehrmacht durchgeführt wird und dessen Aufgabe es ist, Luftfahrzeuge festzustellen, zu beobachten und zu melden, finden, soweit die Einberufung nicht von Dienststellen der Wehrmacht vorgenommen wird, § 3, § 9 Abs. 1 und 4, § 10, § 11 Abs. 1a, § 12 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 2 und 3, § 14, § 15 Abs. 1,3 und 4, § 16 Abs. 1,4 und 5, §§ 17, 18, 20 dieser Verordnung sinngemäß Anwendung.
(2) Für die Heranziehung zu Dienstleistungen sind die Kreispolizeibehörden zuständig. § 21 Abs. 1 und 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, daß gegen Anordnungen, die zur Erfüllung dienstlicher Obliegenheiten nach § 9 Abs. 4 von Angehörigen der Wehrmacht erteilt werden, die Beschwerde an das Flugmelde­kommando gegeben ist. Gegen Entscheidungen des Flugmelde­kommandos ist die Beschwerde an das Luftgaukommando oder die Festungs­kommandantur der Kriegsmarine gegeben; diese Stellen entscheiden endgültig. Soweit nach den §§ 12 und 15 Vergütungen und Entschädigungen zu gewähren sind, trägt sie das Reich.

§ 24 – Besondere Bestimmungen

Über die Verpflichtung zu Sachleistungen sowie zu Handlungen, Duldungen und Unterlassungen auf dem Gebiet des Bauwesens ergehen besondere Bestimmungen.


Berlin, den 4. Mai 1937

Der Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe

Göring

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