Luftschutzgesetz (1935)

Der beabsichtigte planmäßige Aufbau eines reichsweiten Luftschutzwesens benötigte entsprechende gesetzliche Grundlagen, die am 26. Juni 1935 mit der Beschließung und Veröffentlichung des Luftschutz­gesetzes im Reichs­gesetzblatt (S. 827) auch formal geschaffen wurden. Im Laufe der Jahre wurden die eigentlich maßgebenden Durchführungsverordnungen immer wieder überarbeitet und nachgebessert.
Änderungsverordnung zum Luftschutzgesetz vom 8. September 1939.
Luftschutzgesetz in der Fassung vom 31. August 1943.

Luftschutzgesetz

Vom 26. Juni 1935.

Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1
  1. Der Luftschutz ist Aufgabe des Reichs und obliegt dem Reichsminister der Luftfahrt.
  2. Der Reichsminister der Luftfahrt bedient sich bei der Durchführung des Luftschutzes neben den Dienst­stellen der Reichsluftfahrt­verwaltung der ordentlichen Polizei- und Polizeiaufsichts­behörden; auch kann er andere Dienst­stellen und Einrichtungen der Länder, Gemeinden, Gemeinde­verbände und sonstigen Körper­schaften des öffentlichen Rechts in Anspruch nehmen. Der Reichs­minister der Luftfahrt handelt hierbei in Fällen grund­sätzlicher Art im Einvernehmen mit den zuständigen Reichs­ministern.
  3. Falls den Ländern, Gemeinden, Gemeinde­verbänden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts durch die Inanspruch­nahme für Zwecke des Luftschutzes besondere Kosten entstehen, trägt sie der Reichsminister der Luftfahrt.

§ 2
  1. Alle Deutschen sind zu Dienst- und Sachleistungen sowie zu sonstigen Handlungen, Duldungen und Unterlassungen verpflichtet, die zur Durchführung des Luftschutzes erforderlich sind (Luftschutzpflicht).
  2. Ausländer und Staatenlose, die im Deutschen Reich Wohnsitz, Aufenthalt oder Vermögen haben, sind luftschutzpflichtig, soweit nicht Staats­verträge oder allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechts entgegen­stehen.
  3. Luftschutzpflichtig sind ferner alle juristischen Personen, nichts rechtsfähige Personen­vereinigungen, Anstalten und Einrichtungen des öffentlichen und privaten Rechts, soweit sie im Deutschen Reich Sitz, Nieder­lassung oder Vermögen haben.

§ 3

Personen, die infolge ihres Lebensalters oder ihres Gesundheits­zustandes ungeeignet erscheinen, dürfen zu persönlichen Diensten im Luftschutz nicht heran­gezogen werden. Das gleiche gilt für Personen, deren Heranziehung mit ihren Berufs­pflichten gegenüber der Volks­gemeinschaft, insbesondere mit den Pflichten eines öffentlich-rechtlichen Dienst­verhältnisses, nicht zu vereinbaren ist.


§ 4

Umfang und Inhalt der Luftschutzpflicht werden in den Durchführungsbestimmungen festgelegt. Die dauernde Entziehung oder Beschränkung von Grundeigentum richtet sich nach den Enteignungs­gesetzen.


§ 5

Die Heranziehung zur Luftschutzpflicht erfolgt, soweit die Durchführungsbestimmungen nichts anderes vorschreiben, durch polizeiliche Verfügung.


§ 6

Ob und in welchem Umfange bei Erfüllung der Luftschutzpflicht Vergütung oder Entschädigung zu gewähren ist, wird in den Durchführungs­bestimmungen geregelt. Für die Leistung persönlicher Dienste wird grundsätzlich keine Vergütung gewährt.


§ 7

Die im Luftschutz tätigen Personen dürfen Geschäfts- und Betriebsverhältnisse, die sie bei Wahrnehmung ihres Dienstes erfahren, nicht unbefugt verwerten oder an andere mitteilen; über andere Tatsachen, an deren Nichtbekannt­werden die Betroffenen ein berechtigtes Interesse haben, ist Verschwiegenheit zu bewahren.


§ 8

Wer Gerät oder Mittel für den Luftschutz vertreiben oder über Fragen des Luftschutzes Unterricht erteilen, Vorträge halten, Druckschriften veröffentlichen oder sonst verbreiten, Bilder oder Filme öffentlich vorführen oder Luftschutz­ausstellungen veranstalten will, bedarf der Genehmigung des Reichs­ministers der Luftfahrt oder der von ihm bestimmten Stellen.


§ 9
  1. Wer den Bestimmungen der §§ 2 oder 8 oder den darauf beruhenden Rechtsverordnungen und Verfügungen zuwiderhandelt, wird, wenn nicht andere Gesetze schwerere Strafen androhen, mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundert­fünfzig Reichsmark bestraft.
  2. Wer die Tat begeht, nachdem er bereits wegen Zuwiderhandlung gegen §§ 2 oder 8 rechtskräftig bestraft worden ist, oder wer gegen die Bestimmung des § 7 verstößt, wird mit Gefängnis und Geldstrafe oder einer dieser Strafen bestraft.

§ 10

Wer die Erfüllung der einem anderen nach den §§ 2, 7 oder 8 obliegenden Pflichten hindert oder zu hindern sucht oder zu einer Zuwider­handlung nach § 9 öffentlich auffordert oder anreizt, wird, wenn nicht andere Gesetze schwerere Strafen androhen, mit Gefängnis und Geldstrafe oder einer dieser Strafen bestraft. In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus erkannt werden.


§ 11

Die Reichsversicherungsordnung wird wie folgt geändert:

  1. Im § 537 Abs. 1 fallen in der Nr. 5 die Worte “die Betriebe im Geschäftsbereich des Reichsluftfahrtministeriums” weg.
  2. Im § 537 Abs. 1 wird hinter Nr. 5 folgende Nummer eingefügt:
    “5a) die Betriebe im Geschäftsbereich des Reichsluftfahrtministeriums einschließlich der hoheitlichen Betriebe des Luftschutzes und die vom Reichsminister der Luftfahrt anerkannten Luftschutz­übungen oder Betriebe zur Luftschutz­ausbildung,”
  3. Als § 545 d wird nach § 545 c eingefügt:
    “§ 545 d : Bei den nach § 537 Abs. 1 Nr. 5 a versicherten, vom Reichsminister der Luftfahrt anerkannten Luftschutz­übungen gilt der Versicherungs­schutz nur, soweit Personen durch eine Aufforderung der hierzu berufenen Stellen zu besonderen Tätigkeiten herangezogen werden.”
  4. Im § 554 c treten hinter “(537 Abs. 1 Nr. 4 a)” die Worte:
    “bei einem hoheitlichen Betriebe des Luftschutzes und bei den vom Reichsminister der Luftfahrt anerkannten Luftschutz­übungen oder Betrieben zur Luftschutz­ausbildung (§ 537 Abs. 1 Nr. 5 a)”.
  5. Im § 569 b erhält Abs. 1 folgende Fassung:
    “Als Jahresarbeitsdienst gilt bei Versicherten, die im Feuerwehrdienst, in Betrieben zur Hilfeleistung bei Unglücksfällen, in hoheitlichen Betrieben des Luft­schutzes und in den vom Reichs­minister der Luftfahrt anerkannten Luftschutz­übungen oder Betrieben zur Luftschutz­ausbildung beschäftig sind, ohne daß diese Beschäftigung das Erwerbs­einkommen, das sie in dem Kalenderjahre vor dem Unfall gehabt haben.”
  6. Als § 624 a wird hinter § 624 eingefügt:
    “§ 624 a : Das Reich ist ferner Träger der Versicherung für die vom Reichsminister des Luftfahrt anerkannten Luftschutz­übungen oder Betriebe zur Luftschutz­ausbildung, auch wenn sie nicht für Rechnung des Reichs gehen. Dies gilt nicht für Betriebe und Tätigkeiten, die Bestandteile eines anderen der Unfall­versicherung unterliegenden Betriebs sind.”

§ 12

Der Reichsminister der Luftfahrt wird ermächtigt, im Einvernehmen mit den zuständigen Reichsministern zur Durchführung dieses Gesetzes Rechts­verordnungen und allgemeine Verwaltungs­vorschriften zu erlassen. Darin kann angeordnet werden, daß der Reichsminister der Luftfahrt die ihm nach diesem Gesetz zustehenden Befugnisse auf eine andere Behörde übertragen kann.



Berlin, den 26. Juni 1935.

Der Führer und Reichskanzler
Adolf Hitler


Der Reichsminister der Luftfahrt
Göring

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